Hirte sein!
In unserer Zeit des Wohlstands und des Wohllebens wird das Wort Treue immer kleiner geschrieben. Das zeigt sich besonders in der Ehe, wo bald jede dritte Ehe bei uns in …sterreich – in den NachbarlŠndern ist es nicht anders – geschieden wird. Treulosigkeit hat sich seit dem Konzil leider auch in den Reihen derer zu zeigen begonnen, die sich Gott geweiht haben im Priester- oder Ordensstand.
Umso erfreulicher ist es, wenn Priester oder Ordensschwestern ihre Berufstreue 30, 40, 50 und noch mehr Jahre unter Beweis gestellt haben und zwar auch in den schweren Zeiten des II. Weltkriegs unter der tyrannischen Herrschaft einer glaubensfeindlichen Weltanschauung.
Ausdruck solcher Treue, mit der engstens Gewissenhaftigkeit und Verantwortungsbewusstsein in der ErfŸllung der Berufspflichten verbunden ist, ist das goldene BerufsjubilŠum.
Ein solches durfte ich vor wenigen Monaten feiern. Ein solches goldenes JubilŠum feiert am heutigen Tag die Oberin dieses Klosters und Heimes: Mutter M. Gabriela Eder.
Es war vollauf berechtigt, dass sich der Hwst. Herr Erzbischof zu dieser Jubelfeier Zeit genommen hat und nach St. Josef gekommen ist. Er kam sicher nicht nur wegen der Namensgleichheit der Jubilarin sonst mŸsste er bei vielen anderen Menschen in unserer Stadt Besuch machen, denn es gibt lt. Telefonbuch in der Stadt Salzburg allein 262 Eder, darunter sogar 5 Gabriela Eder - der Hwst. Herr Erzbischof Georg Eder kam, um eine allzeit treue, pflichtbewusste und auf wichtigen Posten bewŠhrte Ordensfrau zu ihrem goldenen ProfessjubilŠum zu beglŸckwŸnschen und ihr zu danken fŸr das vorbildliche Beispiel der Treue, das sie 50 Jahre lang ihren Mitschwestern und den ihr beruflich anvertrauten Menschen, vor allem jungen Menschen gegeben hat.
Ich, der ich – wie gesagt – selber schon das goldene PriesterjubilŠum gefeiert habe – bin nun ausersehen worden, die AusfŸhrungen unseres hochgeschŠtzten Oberhirten bei dieser au§erkirchlichen Feier noch weiter auszufŸhren und zu konkretisieren, weil ich zur Berufs- und Ordensgemeinschaft der Jubilarin verwandtschaftliche Beziehungen habe und auch beruflich in eineinhalb Jahrzehnten mit den Guten-Hirten-Schwestern in ehrlichem, gro§en Engagement verbunden war.
Noch etwas verbindet mich ganz eigenartig mit der Jubilarin, deren vorbildliches Wirken ich eigentlich nie aus der NŠhe beobachten konnte, denn sie brachte von ihren 50 Ordensjahren nur 5 in Salzburg zu. Verbunden aber sind wir miteinander durch das Ideal, das uns beiden aufgeleuchtet ist in der erhabenen Persšnlichkeit des Guten Hirten und in der Gestalt der hl. Mutter Eufrasia Pelletier.
Es ist schon eigenartig, dass die letzte Heiligsprechung, die ich wŠhrend meiner Studienzeit in Rom miterleben durfte, am 2. Mai 1940, die der hl. Eufrasia war, die in Fortsetzung des Werkes des hl. Johannes Eudes in den von diesem gegrŸndeten ZufluchtshŠusern die Schwestern Unserer Lieben Frau von der Zuflucht zusammengeschlossen hat in der Ordenskongregationen Unserer Lieben Frau von der Liebe des Guten Hirten und diese Ordenskongregation dann organisatorisch und zahlenmŠ§ig mit ihren zahlreichen KostergrŸndungen so stark ausgebaut hat, dass diese Ordenskongregation zeitweise unter den zahlenmŠ§ig grš§ten Frauenorden der Kirche rangierte mit mehr als 12000 Schwestern. Die Guten Hirtinnen wirken seit 130 Jahren in …sterreich, seit mehr als 100 Jahren auch hier in Salzburg Ÿberaus segensreich in der ErfŸllung einer wahrhaft missionarischen Aufgabe an der so vielen Gefahren ausgesetzten weiblichen Jugend.
Als ich nun nach Kriegsende von Erzbischof Sigismund Waitz zur LehrtŠtigkeit in das kriegszerbombte Salzburg berufen wurde, fand ich zusammen mit meinem Bruder Carl ein ganz bescheidenes Quartier in der Hellbrunnerstr. 13 und eine seelsorgliche TŠtigkeit bei den Tšchtern der hl. Eufrasia, die mir damals in Rom bei deren Heiligsprechung durch ihre so schšne wei§e Ordenstracht aufgefallen waren. Das sind meine RŸckerinnerungen an 1940 in Rom und 1946 in Salzburg St. Josef.
Nun trifft es sich eigenartig, dass sich eine in eine gute katholische Familie in der NŠhe von Mariataferl in N… hineingeborene Bauerntochter 1938 fŸr den Ordensberuf begeisterte zu den Guten-Hirten-Schwestern fand, bei diesen in Wr. Neudorf eintrat und sich nach den zwei in Wr. Neudorf verbrachten Noviziatsjahren gerade 1940, im Jahr der Heiligsprechung der hl. Eufrasia, durch die Ordensprofess dem Werk des Guten Hirten weihen durfte. 1940 – 1990: 50 Jahre der Treue und des selbstlosen Dienstes im Werk des Guten Hirten.
Die ersten 4 Ordensjahre waren dann kriegsbedingt der Pflege kranker, verwundeter Soldaten in Kriegslazaretten gewidmet, gleichsam um zu zeigen, dass der Gute Hirte identisch ist mit dem Barmherzigen Samaritan, der nicht Wunden schlŠgt, sondern verbindet und heilt. Nach Kriegsende aber folgten in Graz mehr als drei Jahrzehnte selbstloser und opferreicher TŠtigkeit, die nun wirklich in der Nachfolge des Guten Hirten der Jugendarbeit geweiht waren. 29 Jahre war Sr. Gabriela dabei Heimleiterin. In diesen fast drei Jahrzehnten wurden 2600 Jugendliche von der FŸrsorge im Alter von 14 bis 19 Jahren im Heim der Guten-Hirten-Schwestern in Graz betreut. Davon waren 460 jugendliche ledige MŸtter mit ihren Babys in der Mutter-Kind-Abteilung; diese MŸtter konnten mit ihren Kindern 2 bis 3 Jahre lang unter der Obhut der Heimleiterin bleiben, damit so bei ihnen die Mutter-Kind-Beziehung wachse und die jungen MŸtter sich gleichzeitig eine berufliche Ausbildung aneigneten.
Bei aller Guten-Hirten-Arbeit an diesen jungen Menschen war Mutter Gabriela immer selbstlos und bescheiden. Trotzdem war auch in den schwierigsten FŠllen ihre AutoritŠt voll anerkannt, man schŠtzte und liebte sie. Warum wohl? Weil sie nicht auf wahre oder gar vermeintliche Rechte pochte, sondern immer nur im Sinn des 4. GelŸbdes das Wohl der ihr anvertrauten Menschen selbstlos dienend im Sinn hatte.
In der gleichen Haltung suchte Mutter Gabriela dann auch als Oberin ihren Mitschwestern zu begegnen, von 1975 bis 1980 im Kloster Harbach, Klagenfurt, dann von 1981 bis 1985 in Baumgartenberg und schlie§lich seit 1985 hier in Salzburg, St. Josef. Dass sie hier im letzten Halbjahr ihrer Aufgabe krankheitsbedingt nicht mehr nachkommen konnte, ging auch nur auf ihre selbstlose Liebe zurŸck, weil sie, als kinderreiche tŸrkische FlŸchtlingsmŸtter mit ihren Kindern einquartiert wurden, von deren Krankheit angesteckt wurde. Mutter Gabriela wollte auch diesen auslŠndischen, heimatlosen Kindern im Geiste des Guten Hirten und nach dem Vorbild der hl. Eufrasia Pelletier hilfsbereite Mutter sein.
Ich mšchte am Schluss meiner bescheidenen AusfŸhrungen in aufrichtiger Dankbarkeit und in RŸckerinnerungen an jene edlen Guten-Hirten-Schwestern, die ich bei meiner Seelsorgsarbeit hier in den Jahren von 1947 bis 1961 kennen- und schŠtzen lernen konnte in ihrer beispielhaften Treue zu ihren GelŸbden, vor allem auch zum 4. GelŸbde, das ich gern das Guten-HirtengelŸbde nannte, nur wŸnschen, dass solche Schwestern nicht aussterben, sondern zahlreichen Nachwuchs bekommen.
Der Geist des guten Hirten und der seiner gro§en, vorbildhaften JŸngerin, der hl. Eufrasia Pelletier, mšge weiter lebendig bleiben in diesem Haus und in den anderen HŠusern des Guten Hirten in …sterreich. Zuletzt steht da eine vor Jahren verstorbene Heimleiterin, die gute Mutter Gertrud Malik im Geiste vor mir. Ich durfte sie und andere Guten-Hirtenschwestern im Lourdes-JubilŠumsjahr 1958 nach Lourdes und dann ins Mutterhaus nach Angers und auf die Insel Noirmoutier begleiten und dann wieder zurŸck nach Salzburg. Vielleicht habe ich diese gute Schwester Gertrud, die uns im selben Jahr noch durch den Tod entrissen wurde, mit meiner damals in meinem erst 20. Priesterjahr noch vorhandenen Gut-Hirten-Begeisterung fŸr meinen Priesterberuf beeindruckt. Sie gab mir jedenfalls bald nach dieser Pilgerfahrt ein von ihr selbst verfasstes Gedicht, das mir Mahnung sein sollte und Mahnung sein kann fŸr alle im Dienste des Guten Hirten Arbeitenden:
ãHirte sein!
Hirte sein hei§t, sein eigenes Leben anderen geben.
Hei§t wie ein Wetterkreuz auf Bergeshšhen einsam stehn und Wege weisen,
die Ÿber Gipfel und Gletscher gehen.
Hei§t sich besinnen in Stille und Licht und ohne Zagen das Hšchste wagen fŸr seine Pflicht.
Hei§t Stab und StŸtze sein fŸr viele, um sie aus dem Verirren hinaufzufŸhren zum gro§en Ziele:
Hei§t immer nur opfern und sich verschenken ohne Bedenken und nur dem einen Wollen sich weihn: HIRTE SEIN